Autistischer Shutdown/au-TIS-ti-scher SHUT-daun/
Ein vorübergehender Verlust von Fähigkeiten, wenn das Nervensystem einer autistischen Person überlastet ist. Während eines Shutdowns wird Sprechen, Bewegen oder Reagieren extrem schwierig bis unmöglich, obwohl die Person bei Bewusstsein bleibt.

Andy sagt:
Stell dir vor, dein Gehirn ist ein Computer mit zu vielen offenen Programmen. Statt des dramatischen Absturzes eines Meltdowns ist der Shutdown, wenn alles einfriert. Der Bildschirm ist noch an, du siehst den Cursor, aber nichts reagiert auf Klicks. Du weißt, Menschen warten auf Antworten, du willst reagieren, aber die Verbindung zwischen Denken und Tun ist komplett unterbrochen. Es ist keine gewählte Stille—es ist aus den eigenen Kontrollen ausgesperrt sein.
Detaillierte Erklärung
Der autistische Shutdown ist eine unwillkürliche neurologische Reaktion auf überwältigenden Stress, sensorischen Input oder emotionale Überlastung. Im Gegensatz zu Meltdowns, die nach außen explodieren, implodieren Shutdowns nach innen.
Während eines Shutdowns erleben autistische Menschen:
- Verlust der Sprache (auch wenn sie normalerweise fließend sprechen)
- Unfähigkeit sich zu bewegen oder Handlungen zu beginnen
- Extreme Schwierigkeiten Informationen zu verarbeiten
- Wirken "weggetreten" oder nicht ansprechbar
- Bewusstsein bleibt, aber Reaktion unmöglich
Shutdowns können von Minuten bis Tagen dauern, abhängig von:
- Schwere der Überlastung
- Verfügbare Erholungszeit
- Umgebungsanforderungen
- Zugang zu sicheren Räumen
Beispiele aus dem Alltag
Schule: Jana kennt die Antwort, kann aber plötzlich keine Worte formen. Die Lehrerin denkt, sie sei trotzig. Jana ist im Shutdown vom Neonlicht und Mensalärm.
Arbeit: Nach Meeting-Marathon sitzt Alex am Schreibtisch, kann keine E-Mails tippen. Kollegen denken "Faulheit". Alex erlebt einen Shutdown—bewusst der Deadlines, aber neurologisch unfähig zu handeln.
Zuhause: Sams Familie fragt beim Abendessen ständig "Was ist los?" Sam hört sie, will "zu laut" antworten, aber der Mund funktioniert nicht. Die besorgten Fragen verstärken den Shutdown.
Praktische Strategien
Während des Shutdowns (für Betroffene):
- Nicht dagegen ankämpfen—das macht es schlimmer
- Auf einen Sinn fokussieren
- Vorbereitete Karten oder Handy-Notizen zur Kommunikation
- In ruhigen, sicheren Raum wechseln
Jemanden im Shutdown unterstützen:
- Fragen reduzieren—höchstens Ja/Nein
- Reize senken (Licht dimmen, Geräusche reduzieren)
- Wasser, Decke, Komfort-Gegenstände anbieten
- Nicht ohne Erlaubnis berühren
- Ruhig warten—Druck verschlimmert
Shutdowns vorbeugen:
- Regelmäßige Ruhepausen einplanen
- Reizarme Erholungsräume schaffen
- Soziale Anforderungen begrenzen
- Energie-Buchhaltung (was kostet/gibt Energie)
Community-Kontext
Die autistische Community unterscheidet Shutdown von Meltdown, um zu zeigen: Das sind keine Verhaltensentscheidungen, sondern unterschiedliche neurologische Reaktionen. Viele Autist*innen berichten:
- Shutdowns folgen oft intensivem Masking
- Können häufiger als Meltdowns sein
- Werden oft als Unhöflichkeit missverstanden
- Können mit dem Alter zunehmen bei Überforderung
Für Familie und Betreuer
Euer autistisches Familienmitglied ignoriert euch nicht im Shutdown—es ist neurologisch unfähig zu reagieren. Wie von jemandem mit gebrochenem Bein Laufen zu erwarten.
Wie helfen:
- Spezifische Shutdown-Zeichen lernen
- Ruhigen Erholungsraum schaffen
- Nonverbale Kommunikation entwickeln
- Haushaltsanforderungen nach überwältigenden Tagen reduzieren
Für Schule und Arbeitsplatz
Lehrkräfte: Schüler*innen im Shutdown können nicht normal teilnehmen. Ruhigen Raum bieten, Anforderungen reduzieren, alternative Kommunikation erlauben. Niemals als Trotz bestrafen.
Arbeitgeber: Mitarbeiter*innen brauchen eventuell Shutdown-Erholungszeit nach intensiven Projekten. Flexible Arbeitsgestaltung und ruhige Räume verhindern Produktivitätsverlust.
Intersektionalität & Variation
- Alter: Kinder haben oft offensichtlichere Shutdowns; Erwachsene oft Teil-Shutdowns beim "Funktionieren"
- Geschlecht: Weiblich sozialisierte Personen internalisieren Shutdowns oft, wirken "verträumt" statt offensichtlich behindert
- Kultur: In kontaktfreudigen Kulturen häufigere und stigmatisiertere Shutdowns
- Begleiterscheinungen: Angst, Depression, PTBS können Shutdown-Häufigkeit erhöhen
Verwandte Begriffe
- Autistischer Meltdown - Explosive äußere Reaktion auf Überlastung
- Autistisches Burnout - Langzeit-Erschöpfung durch Kapazitätsüberschreitung
- Masking - Verstecken autistischer Eigenschaften, führt oft zu Shutdown
- Sensorische Überlastung - Häufiger Shutdown-Auslöser
Verwandte Begriffe
Autistischer Meltdown
Eine unwillkürliche neurologische Reaktion auf überwältigenden Stress, bei der eine autistische Person vorübergehend die emotionale und verhaltensmäßige Kontrolle verliert. Kein Trotz oder Manipulation, sondern das Notventil des Nervensystems bei unerträglicher Überlastung.
Autistischer Burnout
Vollständiger körperlicher, mentaler und sensorischer Zusammenbruch durch die kumulativen Kosten der Existenz in einer neurotypischen Welt. Fähigkeiten verschwinden, Sprache verschwindet, vorher automatische Aufgaben werden unmöglich—nicht Müdigkeit sondern neurologisches Systemversagen.
Maskieren
Das Verstecken oder Unterdrücken neurodivergenter Eigenschaften, um neurotypischer zu erscheinen. Eine Überlebensstrategie mit erheblichen persönlichen Kosten.
Reizüberflutung
Wenn dein Gehirn mehr sensorischen Input erhält als es verarbeiten kann—wie ein Computer mit zu vielen Programmen läuft bis er abstürzt. Lichter werden schmerzhaft, Geräusche durchbohren deinen Schädel, Texturen fühlen sich wie Sandpapier an, und dein Nervensystem schreit nach Flucht.
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