Maskieren/mas-KIE-ren/
Das Verstecken oder Unterdrücken neurodivergenter Eigenschaften, um neurotypischer zu erscheinen. Eine Überlebensstrategie mit erheblichen persönlichen Kosten.

Andy sagt:
Stell dir vor, du trägst ein schweres Kostüm das nicht passt, sprichst Text den du nicht geschrieben hast, in einem Theaterstück das nie endet. Du memorierst wie "normale" Menschen handeln, zwingst dein Gesicht in die richtigen Ausdrücke, sitzt auf deinen Händen damit sie sich nicht bewegen. Wenn du nach Hause kommst, bist du so erschöpft vom Vortäuschen, dass du zusammenbrichst. Das ist Maskieren—jemand anderes Vorstellung von akzeptabel aufführen, bis du vergisst, wer du wirklich bist.
Detaillierte Erklärung
Maskieren bedeutet, neurodivergente Eigenschaften zu unterdrücken, verstecken oder zu überkompensieren, um in neurotypische Umgebungen zu passen.
Häufige Maskierungs-Verhaltensweisen:
- Augenkontakt erzwingen trotz Unbehagen
- Stims unterdrücken oder in weniger sichtbare umwandeln
- Sozialverhalten anderer nachahmen
- Skripte für alltägliche Interaktionen erstellen
- Spezialinteressen oder Begeisterung verstecken
- Neurotypische Körpersprache kopieren
Maskieren beginnt oft in der Kindheit als Reaktion auf Korrektur, Mobbing oder Ablehnung. Während es kurzfristig Sicherheit bieten kann, führt langfristiges Maskieren zu Burnout und Identitätsverlust.
Beispiele aus dem Alltag
Schule: Emma übt Gesichtsausdrücke im Spiegel, zwingt sich zu Augenkontakt mit Lehrkräften trotz brennendem Gefühl, memoriert beliebte Serien für "normale" Gespräche.
Arbeit: Jonas hat eine Excel-Tabelle mit passenden Antworten für Büro-Smalltalk, unterdrückt sein Schaukelbedürfnis bei Stress, erschöpft sich beim Aufrechterhalten "professioneller" Körpersprache.
Sozial: Alex studiert Reaktionen von Freunden um sie zu kopieren, versteckt Begeisterung über Spezialinteressen, kommt so erschöpft nach Hause, dass stundenlanges Sprechen unmöglich ist.
Praktische Strategien
Maskierungs-Notwendigkeit reduzieren:
- Neurodivergent-bejahende Räume suchen
- Beziehungen aufbauen wo Demaskierung möglich ist
- Grenzen bei sozialen Anforderungen setzen
- Remote arbeiten/lernen wenn möglich
Sicherer Demaskierungs-Prozess:
- Klein anfangen mit vertrauten Menschen
- Ein unmaskiertes Verhalten nach dem anderen üben
- Skripte für Fragen bereithalten
- Erholungszeit nach Demaskierung einplanen
Community-Kontext
Die neurodivergente Community erkennt Maskieren als:
- Trauma-Reaktion entwickelt zum Überleben
- Besonders fordernd für mehrfach marginalisierte Menschen
- Hauptfaktor für autistisches Burnout
- Etwas das so automatisch werden kann, dass wir sogar allein maskieren
Community-Weisheit: Demaskierung ist ein Privileg, das nicht alle sicher haben. Das Ziel ist eine Welt zu schaffen, wo Maskieren nicht nötig ist.
Für Familie und Betreuer
Wenn eure Lieben weniger bei euch maskieren, zeigen sie Vertrauen. Das kann bedeuten:
- Mehr Stimming oder Bewegung
- Weniger Augenkontakt
- Direktere Kommunikation
- Sichtbare Erschöpfung nach sozialen Situationen
Demaskierung unterstützen:
- Alle Kommunikationsformen akzeptieren
- Nicht über "komisches" Verhalten kommentieren
- Soziale Anforderungen zuhause reduzieren
- Verstehen dass Demaskierung anfangs Meltdowns erhöhen kann
Für Schule und Arbeitsplatz
Lehrkräfte: Schüler*innen die zurechtzukommen scheinen, maskieren vielleicht unter enormen Kosten. Maskieren nicht als "gutes Verhalten" loben. Natürliche Bewegung und verschiedene Interaktionsstile erlauben.
Arbeitgeber: Maskieren trägt zu Burnout und Fluktuation bei. Maskierungs-Notwendigkeit reduzieren durch:
- Klare, direkte Kommunikationsnormen
- Flexible Interaktionsoptionen
- Akzeptanz verschiedener Arbeitsstile
- Remote-Arbeitsmöglichkeiten
Intersektionalität & Variation
- Geschlecht: Frauen und nicht-binäre Menschen erfahren höheren Maskierungsdruck
- Ethnizität: BIPoC maskieren eventuell um zusätzliche Diskriminierung zu vermeiden
- Klasse: Menschen ohne Diagnose oder Unterstützung müssen zum Überleben maskieren
- Alter: Maskierungsfähigkeit nimmt oft mit dem Alter ab, führt zu Spätdiagnose
- Kultur: Kollektivistische Kulturen fordern eventuell mehr soziales Maskieren
Verwandte Begriffe
- Camouflaging - Oft austauschbar mit Maskieren verwendet
- Unmasking/Demaskierung - Der Prozess, Maskieren zu reduzieren
- Autistisches Burnout - Oft Resultat von längerem Maskieren
- Stimming - Natürliche Verhaltensweisen, oft unterdrückt beim Maskieren
Verwandte Begriffe
Camouflaging
Das bewusste oder unbewusste Unterdrücken neurodivergenter Eigenschaften, um neurotypischer zu erscheinen. Camouflaging umfasst Verstecken, Kompensieren oder Übererfüllen sozialer Erwartungen.
Stimming
Selbststimulierende Verhaltensweisen—wiederholte Bewegungen, Geräusche oder Aktivitäten zur Regulation des Nervensystems. Natürliche, notwendige und hilfreiche Handlungen für sensorische Verarbeitung, Emotionsregulation und Fokus.
Autistischer Burnout
Vollständiger körperlicher, mentaler und sensorischer Zusammenbruch durch die kumulativen Kosten der Existenz in einer neurotypischen Welt. Fähigkeiten verschwinden, Sprache verschwindet, vorher automatische Aufgaben werden unmöglich—nicht Müdigkeit sondern neurologisches Systemversagen.
Unmasking (Entmasken)
Der Prozess der Reduzierung oder des Stoppens von Maskierungsverhalten und der Ermöglichung authentischerer Ausdrucksformen neurodivergenter Eigenschaften und Bedürfnisse.
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