Sensorische Verarbeitungsstörung/sen-SO-ri-sche fer-AR-bei-tungs-shtö-rung/

Ein Zustand, bei dem das Gehirn Schwierigkeiten hat, Informationen zu empfangen und darauf zu reagieren, die über die Sinne kommen.

Andy das Eichhörnchen, Maskottchen für NDlexicon

Andy sagt:

Stell dir vor, die Lautstärke der Welt ist entweder zu hoch oder zu niedrig eingestellt. Geräusche können ohrenbetäubend, Lichter blendend oder Berührungen schmerzhaft sein. So kann es sich anfühlen.

Aktualisiert 2025-01-14
Quellen: STAR Institute for SPD
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Detaillierte Erklärung

Die sensorische Verarbeitungsstörung (SVS), auch als sensorische Integrationsstörung bekannt, beeinflusst, wie das Nervensystem sensorische Reize verarbeitet. Dies kann zu Überempfindlichkeit (Hypersensitivität), Unterempfindlichkeit (Hyposensitivität) oder beidem führen. Es kann jeden der Sinne betreffen, einschließlich Sehen, Hören, Tasten, Schmecken, Riechen, Gleichgewicht (vestibulär) und Körperwahrnehmung (propriozeptiv). Obwohl oft mit Autismus verbunden, kann es auch eine eigenständige Besonderheit sein.

Community-Kontext

Menschen mit SVS im deutschsprachigen Raum entwickeln oft Bewältigungsstrategien, wie das Tragen von Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung, Sonnenbrillen in Innenräumen oder das Vermeiden bestimmter Texturen. Das Verständnis von SVS ist der Schlüssel zur Schaffung zugänglicherer und komfortablerer Umgebungen für neurodivergente Menschen. In Deutschland gibt es spezialisierte Ergotherapiepraxen, die sensorische Integrationstherapie anbieten.

Alltägliche Anpassungen

  • Geräusche: Noise-Cancelling, weiche Ohrstöpsel, ruhigere Tagespläne
  • Licht: Dimmer, Sonnenbrillen, warmes Licht, Bildschirmfilter
  • Berührung: etikettfreie Kleidung, Stoffwahl, Layering; Zustimmung bei Berührung
  • Geruch/Geschmack: unparfümierte Produkte, vorhersehbare Konsistenzen, sichere Snacks
  • Bewegung: Schaukel-/Bewegungspausen, Gewichts-/Kompressionshilfen, Balance-Tools

Nach Altersstufen

  • Frühe Kindheit: sinnfreundliches Spiel, ergotherapeutische Strategien
  • Schulalter: Sinnes-Ecken, Bewegungspausen, Wahlmöglichkeiten bei Sitzplätzen
  • Jugendliche: Selbstvertretungs-Skripte, persönliche Kits (Ohrstöpsel, Sonnenbrille)
  • Erwachsene: Arbeitsplatz-Anpassungen, Remote-Optionen, flexible Kleidungsvorgaben

Mythen vs. Fakten

  • Mythos: "Das verwächst sich."
    • Fakt: Bedürfnisse verändern sich, aber Unterstützung bleibt hilfreich über die Lebensspanne.
  • Mythos: "Nur wählerisch."
    • Fakt: Es handelt sich um eine neurologische Verarbeitungsbesonderheit.

Kurz-Tipps

  • Kleines Sinnes-Set dabeihaben (Ohrstöpsel, Sonnenbrille, Fidget)
  • Nach fordernden Ereignissen Erholungszeit im Reizarmen einplanen
  • Checklisten nutzen, um Last bei Überreizung zu senken
  • Für dimmerbares Licht und ruhige Zonen eintreten

Do / Don't

  • Do: Zustimmung vor Berührung; Wahl bei Sitzplatz/Licht geben
  • Do: Schriftliche Infos anbieten, wenn es mündlich zu laut/unklar ist
  • Don't: Reizexposition erzwingen oder Hilfsmittel „als Übung“ wegnehmen
  • Don't: Bedürfnisse als „übertrieben“ abtun

Beispiel-Skripte

  • "Es ist mir zu laut – können wir an einen ruhigeren Ort?"
  • "Ich brauche gedämpftes Licht zum Fokussieren – ist das okay?"
  • "Schriftliche Hinweise helfen mir bei Trubel – könntest du eine Zusammenfassung senden?"

Wissenschaftlicher Kontext

Neuroimaging-Studien zeigen Unterschiede in der sensorischen Verarbeitung im Gehirn von Menschen mit SVS. Die Prävalenz wird auf 5-16% der Kinder geschätzt. Die S3-Leitlinie zu Autismus-Spektrum-Störungen erkennt sensorische Besonderheiten als häufiges Merkmal an.

Sprachliche Hinweise

Im Deutschen wird "sensorische Verarbeitungsstörung" oder "Wahrnehmungsverarbeitungsstörung" verwendet. In der Community wird oft von "sensorischen Besonderheiten" gesprochen, um die pathologisierende Sprache zu vermeiden.

Verwandte Begriffe

Reizüberflutung

Wenn Sinneseindrücke (Geräusch, Licht, Berührung, Geruch, Bewegung) die Verarbeitungskapazität übersteigen – mit Stress und Funktionsverlust.

Stimming

Wiederholte Körperbewegungen oder Geräusche, die helfen, sensorische Eindrücke und Emotionen zu regulieren.

Autistischer Meltdown

Ein unwillkürlicher Zustand überwältigender Belastung, in dem eine autistische Person vorübergehend die Fähigkeit zur Selbstregulation verliert – oft mit Weinen, Rufen, Hin- und Hergehen oder anderen intensiven Verhaltensweisen.

Autistischer Shutdown

Eine unwillkürliche Reaktion auf Überlastung, bei der eine autistische Person sehr still oder nicht ansprechbar wird und sich zurückzieht, um Reize zu reduzieren.

Nachteilsausgleich

Anpassungen von Umgebung, Werkzeugen, Zeit oder Erwartungen, die Barrieren abbauen und gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen.

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS)

Unterschiede in der Verarbeitung von Geräuschen im Gehirn – Sprache verstehen (v.a. im Lärm) fällt schwer, obwohl das Hören an sich unauffällig sein kann.

Interozeption

Die Wahrnehmung innerer Körpersignale (Hunger, Herzschlag, Temperatur, Spannung), die Gefühle und Regulation informiert.

Neuroaffirmativ

Räume, Praktiken und Haltungen schaffen, die neurodivergente Menschen so akzeptieren und unterstützen, wie sie sind – statt sie zu verändern, zu „reparieren“ oder Unterschiede zu verbergen.

Sensorischer „Diät“-Plan (Sensorik-Plan)

Geplanter Satz an Aktivitäten und Reizen, der das Nervensystem tagsüber passend versorgt.

Quellen

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